Der Angriff auf Cherbourg - Phase II 22. - 29. Juni 1944

Der 21. Juni markierte das Ende der ersten Phase des Angriffes auf Cherbourg. Alle drei US-Divisionen hatten nun Tuchfühlung mit den vorbereiteten deutschen Stellungen der Landfront Cherbourg hergestellt und bereiteten sich auf den entscheidenden Vorstoß vor.

Bevor Major General Collins seinen Truppen den Befehl zum Angriff erteilte unterbreitete er dem deut­schen Kommandeur, Generalleutnant von Schlieben, in der Nacht des 21. Juni ein Kapitulations­angebot, das um 09:00 des 22. Juni enden sollte. Die Aufforderung zur Kapitulation wurde über Laut­sprecher neben der deutschen auch in polnischer, russischer und französischer Sprache übermittelt, um den vielen Nationalitäten der eingeschlossenen Verteidiger Rechnung zu tragen.

In der Zwischen­zeit arbeitete der Planungsstab des US VII Corps in großer Eile an den Details für den Angriff auf die Landfront Cherbourg. Die schnelle Einnahme des großen Tiefwasserhafens von Cherbourg hatte in den letzten Tagen dramatisch an Bedeutung gewonnen. Der seit dem 19. Juni im Ärmelkanal tobende Sturm (der heftigste seit über 40 Jahren) hatte nicht nur die Entladung von Truppen und Material völlig zum Stillstand gebracht, sondern auch den künstlichen Mulberry A Hafen vor dem Omaha Beach (Vierville-sur-Mer) vollständig zerstört sowie den von den Briten konstruierten Mulberry B Hafen vor Arromanches erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Nun drohten die Alliierten im Rennen um die Zuführung weiterer Truppen gegenüber den Deutschen ins Hintertreffen zu geraten.

Die Alliierten hatten ohnehin bereits von Beginn der Kampfhandlungen in der Normandie erhebliche Probleme, die selbstgesetzten Ziele bzgl. Nachschub und Truppen­zuführung zu erreichen. In den 13 Tagen bis zum 18. Juni waren 116.000 Tonnen Nachschub, 41.000 Fahrzeuge und 314.514 Mann in der US-Zone sowie 102.000 Tonnen Nachschub, 54.000 Fahrzeuge und 314.547 Mann im britisch-kanadischen Sektor an Land gebracht worden. Erst in den letzten Tagen vor Beginn des Sturmes hatte man sich den geplanten Sollständen angenähert, nun drohte man durch den bereits vier Tage andauernden Sturm erneut erheblich in Rückstand zu geraten. Major General Collins wies seine Kom­mandeure erneut eindringlichst auf die enorme Bedeutung einer möglichst schnel­len Einnahme Cherbourgs hin und bezeichnete den Angriff als „the major effort of the American Army“.

Erwartungsgemäß hatte Generalleutnant von Schlieben die für 09:00 gesetzte Frist am Morgen des 22. Juni verstreichen lassen. Da sich zu diesem Zeitpunkt auch der Sturm über dem Ärmelkanal stark abgeschwächt hatte und somit der Einsatz der Alliierten Luftwaffe wieder möglich wurde, informierte Major General Collins seine Kommandeure um 09:40 darüber, dass der Großangriff auf die Landfront Cherbourg am Nachmittag des 22. Juni um 14:00 beginnen würde.

Der Angriff des US VII Corps wurde um 12:40 durch einen groß angelegten Luftangriff eröffnet, der im Wesentlichen die deutschen Stellungen nördlich der 79th und 9th Division, d.h. den Raum südlich und südwestlich von Cherbourg zum Ziel hatte. Zunächst attackierten vier Schwadronen von Hawker Typhoons mit ihren Raketen ab 12:40 deutsche Stellungen und Widerstandsnester im nördlichen Teil der Angriffszone. Schwerpunkt dieser Angriffe waren insbesondere mehrere deutsche Flakstel­lungen, von denen ernsthafte Gefahr ausging. Der Angriff der Hawker Typhoons wurde unmittelbar von sechs Schwad­ronen P-51 Mustangs fortgesetzt, die die deutschen Stellungen mit ihren Bordwaffen beharkten. Nachdem die 375 Kampfflugzeuge der 2nd British Tactical Air Force abge­zogen waren, flogen von 13:00 an 562 P-38 (Lockheed Lightning), P-47 (Thunderbolt) und P-51 (Mustangs) Kampf­bomber der 9th US Army Air Force in 12 Wellen im Abstand von jeweils 5 Minuten über die vorder­sten deutschen Stellungen und setzten das Zerstö­rungs­werk unerbittlich mit ihren Bomben und Bordwaffen fort.

Bei diesen Luftangriffen kam es unter den in vorderster Linie eingesetzten US-Einheiten zu Verlusten durch friendly fire. Durch einsetzenden Nordostwind war der Rauch der die Angriffszonen markierenden Positionsmarker nach Süden über die Stellungen der US-Truppen abge­driftet, in der Folge luden zahlreiche Flugzeuge ihre tödliche Fracht irrtümlicherweise über den Stellun­gen der eigenen Truppen ab. Als gegen 14:00 die Verbände der 79th und 9th IDs ihre Deckung verließen und zum Angriff übergingen, griffen 11 Gruppen leichter und mittlerer Bomber der 9th US Army Air Force (insgesamt 387 Flugzeuge) in mehreren Wellen insgesamt 11 definierte Ziele innerhalb des deutschen Vertei­di­gungsperimeters an.

Im Zentrum dieser Bombardements standen die stark befes­tig­ten Stellun­gen in den Räumen Flottemanville-Hague und Martinvast, die Stützpunkte beider­seits der N13 bei les Chevres und la Mare à Canards, ein starker Stützpunkt südlich von Octeville sowie das Fort du Roule, das hoch über der Stadt auf einem Hügel thronte und den Zugang zu Cherbourg entlang der N13 blockierte. Im Anschluss an das Luftbombardement begann die US-Artillerie die erkannten deutschen Flakstellungen und Befestigungs­anlagen mit schwerem Artilleriefeuer zu belegen.

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