14. Juli

In der Nacht zum 14. Juli nahm das XIX Corps eine Änderung der Einsatzräume der 35th und 29th Infantry Divisions vor, welche die Front der 29th ID deutlich verkürzen sollte. Der bisherige Einsatz­raum des 115th IR sollte durch das bisher in Korpsreserve gehaltene 134th IR, 35th ID, übernommen werden, der Kampfraum der 35th ID wurde somit ostwärts bis zur Straße St-Lô – Isigny-sur-Mer (heutige D 6) ausgedehnt. Die 1st und 2nd Battalions, 115th IR, wurden aus der Front herausgelöst und gingen östlich der D 6 im Raum la Fossardière in Reservestellung, dagegen behielt das 3rd Bn seine Position im Raum südlich von la Luzerne weiterhin bei. Aufgrund dieser Neuorientierung der Kräfte empfahl das XIX Corps den Divisionskommandeuren der 29th, 30th und 35th am 14. Juli offensive Aktionen weitestgehend zu unterlassen und die Neugruppierung der Kräfte in Ruhe zum Abschluss zu bringen. Von diesem allgemeinen Haltebefehl ausgenommen war nur das 137th IR, 35th ID, das östlich der Vire den Druck auf die deutschen Linien weiter aufrecht erhalten und wenn mög­lich, bis zur Straße St-Lô – Pont-Hébert vorstoßen sollte.

Die vom XIX Corps verordnete Ruhepause nutzte Major General Gerhardt, 29th ID, und gruppierte seine Einheiten ebenfalls um. Das 175th IR sollte ab sofort die gesamte Frontlinie von der D 972 bis hinauf auf den Martinville Höhen­zug übernehmen. Die abgekämpften und nach mehrtägigem Einsatz stark dezimierten Bataillone des 116th IR wurden in rück- wärtige Stellungsräume zur Erholung und Auffrischung beordert.

Am 14. Juli trat das 137th IR, 35th ID, erneut gegen Elemente der Kampfgruppen Kentner und Goth zum Angriff an. Das 2nd Bn, 137th, das am Abend des 13. Juli die HKL der deutschen Stützpunkt­gruppe bei le Carillon erreicht hatte, wusste, dass ein Frontalangriff auf diese gut ausge­baute Hauptverteidigungslinie voraussichtlich mit hohen Verlusten einhergehen würde. Daher versuchte der Kommandeur des 2nd Bn, 137th IR, den Stütz- punkt entlang einer Bachsenke westlich zu umgehen, dann nach Osten einzuschwenken und anschließend in breiter Linie weiter nach Süden vorzustoßen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch daran, dass das Bataillon zu früh nach Osten ein­drehte und nach dem Schwenk nach Süden direkt in mörderisches Abwehrfeuer der hinteren Auf­fanglinie des deutschen Stützpunktes hineinlief und dort erneut festhing. Der Stützpunkt le Carillon konnte auch in den folgenden Tagen nicht eingenommen werden, jedoch soll­ten erhebliche Raum­gewinne der Amerikaner westlich und östlich des Stützpunktes und das damit verbundene Zurück­weichen der deutschen Front den Stützpunkt bald völlig isolieren und damit seine Garnison dazu zwingen, sich früher oder später zu den eigenen Linien durchzuschlagen, wollte sie nicht in abseh­barer Zeit in Gefangenschaft geraten.

Während das 2n Bn, 137th IR, am 14. Juli im Kampf mit dem Stützpunkt le Carillon ver­wickelt war, gelang es den weiter westlich operierenden 1st und 3rd Bn, 137th IR, mit Hilfe der B Company, 737th Tank Battalion, sowie mehrerer Panzerjägern M 10 „Wolverine“, die als Sturmgeschütze eingesetzt wurden, insgesamt 19 MG-Nester und vier Mörserstellungen niederzukämpfen und die deutsche Front aufzureißen. Gegen Abend gelang der Durch- bruch durch die dünnen Linien der abgekämpften Kampfgruppe Kentner. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten die beiden US-Bataillone im Raum la Côte du Poirier einen circa 1 Km breiten Abschnitt nördlich der Straße St-Lô – Pont-Hébert (N 174) und setzten sich dort fest. Obwohl am 14. Juli westlich der Vire keine offensiven Aktionen befohlen worden waren, gelang es dem 119th IR mit einem kräftigen lokalen Angriff die deutsche Garnison in Pont-Hébert zu werfen und zur zerstörten Vire-Brücke vorzudringen. Darüber hinaus stießen Einheiten der 9th ID an der bislang ungedeckten Westflanke der 30th ID von le Dézert ausgehend in der Senke des Baches Terrette bis auf Höhe der D 77 bei la Ducrie vor und drängten die bis dahin aus diesem Raum mit zahlreichen Gegenangriffen in die rechte offene Flanke des 117th IR operierenden Einheiten der Kampfgruppe Wisliceny bzw. der Panzer-Lehr-Division nach Südwesten ab.

Die amerikanischen Truppen hatten sich am Ende des 14. Juli eine gute Ausgangsposition für den finalen Angriff auf St-Lô erkämpft, die letzte Phase des wochenlangen Ringens um St-Lô stand nun unmittelbar bevor, die Entscheidung sollte nun endlich mit einem Groß- angriff des XIX Corps am 15. Juli eingeläutet werden.

Das deutsche II. Fallschirm-Korps sah den nächsten Tag mit großer Sorge entgegen. Bis zum Abend des 13. Juli hatte das Korps über 4.000 Männer verloren, die unterstellten Kampfgruppen der 266., 343., 352. und 353. Inf.Div. waren jeweils auf Bataillonsstärke geschrumpft und als einzige Verstär­kung standen die noch in der Ausbildung befindlichen Einheiten der 5. Fschjg.Div. in Aussicht, die sich im Anmarsch aus der Bretagne befanden. Insbesondere der Verlust der Brücke von Pont-Hébert und der Vorstoß der Amerikaner bis zur N 174 östlich der Vire bereiteten General Meindl Kopfzerbrechen. Nicht nur war durch den Vorstoß der Amerikaner am linken Ufer der Vire die deutsche Stützpunkt­gruppe bei le Carillon in der Flanke bedroht, auch die in der Vire Flussbiegung westlich von St-Lô stehen- den Verbände der 352. Inf.Div. drohten bei einem weiteren Vordringen der Amerikaner abgeschnitten zu werden. Deutsche Pioniere hatten zwar bei Rampan, 2,5 Km südlich von Pont-Hébert, eine Unterwasserbrücke errichtet, die bei geöffneter Vire Schleuse bei la Meauffe und dem damit verbundenen Abfall des Wasserspiegels nur wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche verlief, die Tragfähigkeit der Brücke war jedoch beschränkt, sodass die deutschen Truppenteile in der Flussbiegung bei einer angeordneten Evakuierung über diese Brücke jegliches schwere Gerät hätten zurücklassen müssen. Sollten die Ameri- kaner, die inzwischen ja la Meauffe eingenommen hatten, die dortige Schleuse schließen und damit die Vire aufstauen, dann würde die knapp unter der Wasseroberfläche verlau- fende Brücke mehr als 2 Meter überflutet und damit unpassierbar werden.

Angesichts dieser bedrohlichen Szenarien befahl General Meindl, den Stütz­punkt le Carillon für die Evakuierung vorzubereiten sowie den Rückzug aller vorgeschobenen Ein­heiten der 352. ID und der ihr unterstellten Kampfgruppen um 1 Km, da diesen durch den Vorstoß der Amerikaner ebenfalls drohte, abgeschnitten zu werden. Weiterhin schlussfolgerte General Meindl, dass der nördlich von St-Lô gelegenen Höhe 122 nun entscheidende Bedeutung in der Verteidigung der Stadt zukommen würde. Aus dieser Erkenntnis heraus zog Meindl die Reste der Schnellen Brigade 30 aus dem Kampfraum westlich der Vire ab und verlegte sie auf Höhe 122, wo sie zusam­men mit den Resten der Kampfgruppe Goth und einigen Artil- leriegeschützen den in Kürze erwarteten Ansturm der Amerikaner abwehren sollte. 

Deutsche Stützpunktgruppe Le Carillon
Deutsche Stützpunktgruppe Le Carillon
14. Juli - Frontlinie des XIX Army Corps
14. Juli - Frontlinie des XIX Army Corps

Die nebenstehende Karte zeigt den durch die gestrichelte Linie dargestellten Frontverlauf der Einheiten des US XIX Army Corps im Kampfraum St-Lo. Den amerikanischen Verbänden standen östlich der Vire die 3. Fallschirmjäger-Division, die Kampf- gruppe Bohm (353. Inf.Div.), die Kampfgruppen Kentner und Rambach (266. Inf.Div und 343. Inf.Div.), die Reste der 352. Inf.Div. und dann westlich der Vire die Kampfgruppe Heintz (275. Inf.Div.), das FJR 14, die Panzer-Lehr-Division, die schnelle Brigade 30, die Fallschirm-Aufklärungs-Abteilung 12, die Kampfgruppe Wisliceny (2. SS-Pz.Div.), Kampfgruppen der 5. Fallschirmjäger-Division sowie die 17. SS-Panzergrenadir-Division gegenüber.

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