Der Angriff des 47th IR auf das Marinearsenal sollte am frühen Morgen des 27. Juni mit allen seinen drei Bataillonen erfolgen. Um den Widerstandswillen der deutschen Garnison zu testen, ließ Colonel Smythe, Kommandeur des 47th IR, zunächst gegen 08:00 mit nur einem Platoon der A Company gegen das Arsenal aufklären. Als das Platoon heftiges Abwehrfeuer aus dem Arsenal auf sich zog, entschied der Regimentskommandeur, das Signal zum Angriff zu geben. Noch bevor der Angriff jedoch ins Rollen geriet wurde im Arsenal um 08:30 die weiße Fahne gehisst. Nach einigen Verhandlungen mit Colonel Smythe verließen Generalmajor Sattler und 400 deutsche Soldaten das Arsenal gegen 10:00 mit erhobenen Händen. Nun wurde auch Generalmajor Sattler aufgefordert, die Einstellung sämtlichen Widerstandes in der Stadt und in den Forts, die sich an den inneren und äußeren Hafenmolen befanden, zu befehlen. Sattler weigerte sich mit der gleichen Begründung, die von Schlieben am Vortage gegeben hatte, er habe keine Möglichkeit, mit den verbleibenden Forts und Widerstandsnestern zu kommunizieren.

Die Kapitulation des Marinearsenals am Vormittag des 27. Juni stellte das Ende des organisierten Widerstandes in Cherbourg dar. Mit Ausnahme einiger an den äußeren Hafenmolen gelegenen Forts waren der Hafen sowie die Stadt nun vollständig unter amerikanischer Kontrolle. Über 10.000 deutsche Soldaten aller Waffengattungen waren in den letzten zwei Tagen in Gefangenschaft gegangen, darunter über 2.600 Verwundete aus zwei Hospitälern.

Noch am Nachmittag des 27. Juni ließ Major General Collins US-Truppen auf dem Platz vor dem Rathaus Cherbourgs, dem Place de la Republique, paradieren. Vor nur wenigen französischen Zivilisten, die meisten Stadtbewohner waren vor dem Beginn der Kämpfe um Cherbourg von den Deutschen aus dem Stadtgebiet evakuiert worden, versammelte Collins seine drei Divisionskommandeure vor dem Rathaus und überreichte Bürgermeister Paul Reynaud eine französische Nationalflagge (Trikolore), die aus Fallschirmen verschiedener US-Airborne Einheiten gefertigt worden war.

Major General Collins US VII Corps hatte nun zwar das Stadtgebiet Cherbourgs unter seine Kontrolle gebracht, jedoch hatten vier der fünf auf den drei äußeren Hafenmolen gelegenen napoleonischen Forts noch nicht kapituliert. Es handelte sich um die drei auf der dem äußeren Hafen vorgelagerten 3,6 km langen Mole „Digue Centrale“ gelegenen Forts Fort de l´Ouest, Fort Central und Fort d´Est sowie um das auf der östlichen äußeren Hafenmole „Digue de l´Est“ gelegene Fort Pelée. Das leicht südlich der westlichen äußeren Hafenmole „Digue de Querqueville“ auf einer kleinen Insel gelegene Fort de Chavagnac hatte dagegen bereits zeitgleich mit der Kapitulation des Marinearsenals die Waf­fen gestreckt. Jedes Schiff, das in den äußeren Hafen von Cherbourg einlaufen wollte, musste zunächst die 1,1 km breite westliche Hafeneinfahrt Passe de l´Ouest zwischen der Digue de Querqueville und der Digue Centrale oder alternativ die östliche, 850 m breite Einfahrt Passe de l´Est zwischen der Digue Centrale und der Digue de l´Est und die diese beiden Passagen schüt-zenden Forts passieren.

Diese napoleonischen Forts waren von 2 m dicken Mauerwerken umgeben, die sie gegen Artilleriebeschuss nahezu jeden Kalibers immun machten. Jede der fünfstöckigen Anlagen (zwei Stockwerke über Wasser, drei unter Wasser) waren bis unter die Decke mit Munition, Lebensmitteln und Trinkwasser bevorratet, die Besatzungen der Forts konnten demnach eine wochenlange Belagerung ohne Probleme überstehen.

Die Amerikaner wussten von verschiedenen Informanten, dass der Hafen von Cherbourg vor der Kapitulation stark vermint worden war, und dass sich im Bereich des westlichen Hafenzuganges (Passe de l´Ouest) ein großflächiges Minenfeld befand, das elektrisch gezündet werden konnte. Angeblich hatte ein mit den Deutschen sympathisierender französischer Zivilist den Auftrag, dieses Minenfeld in dem Moment zu zünden, in dem der Hafenbereich voll von Schiffen der Alliierten war.

Tatsächlich befand sich der Auslösemechanismus des Minenfeldes jedoch im Fort de l´Ouest auf der Digue Centrale. Dorthin hatte sich der Hafenkommandant Cherbourgs, Fregattenkapitän Herrmann Witt, in der Nacht zum 27. Juni nach einer abenteuerlichen Fahrt in einer Segeljacht und zwei Ruderbooten zusammen mit 8 Offizieren und 30 anderen Dienstgraden aus seinem Hauptquartier, dem Fort du Homet, abgesetzt. Witt kontrollierte nun das Minenfeld und damit den westlichen Zugang zum Hafen. Durch einen deutschen Gefangenen erfuhren die Amerikaner jedoch von Witts Aufenthaltsort und dem im Fort de l´Ouest befindlichen Zündmechanismus. Darüber hinaus wurde Witt im großdeutschen Rundfunk als Held und letzter Verteidiger Cherbourgs gerühmt, die Amerikaner, die den deutschen Rundfunk natürlich regelmäßig abhörten, sahen damit die Aussagen des deut-schen Gefangenen bzgl. Witt als bestätigt an.

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