Im Gegensatz zu den Stellungen der ersten Generation (Stellungen alter Bauart) wurden bei den ab März 1944 errichteten leichten Stellungen (Einsatz-Stellungen) auf so gut wie alle betonierten oder aus Betonsteinen bestehenden Gebäude und Lager verzichtet, die meisten Gebäude bestanden daher aus Holz, vor allem auf die verräterischen Ski-Bunker wurde nun völlig verzichtet. Die bereits montierten V1 Flugkörper sollten stattdessen entweder unter Tarnnetzen im Freien oder in Scheunen der nahe gelegenen Bauernhöfe gelagert werden. Der Bau einer leichten Anlage konnte von einem Trupp von 40 Mann in zwei Wochen abgeschlossen werden, dies was ein Bruchteil der Zeit, der für den Bau einer Stellung der ersten Generation benötigt wurde. Die Walter Katapult-Abschussrampen sollten erst im späten Mai bzw. Anfang Juni 1944 errichtet werden, also erst unmittelbar vor dem anvisierten Beginn des Angriffes auf Südengland, der nach zahlreichen Verschiebungen für den Juni 1944 festgelegt wurde. Um Spionage durch die Résistance zu erschweren, wurden beim Bau der leichten Anlagen nur noch deutsche Soldaten des Sonder Pionier Stabes Berger der 7. Armee sowie polnische Zwangsarbeiter eingesetzt. So dauerte es tatsächlich bis zum 26. April, bis die erste leichte Abschussstellung auf dem Cotentin bei Belhamelin von einem britischen Aufklärungsflugzeug entdeckt wurde.

Neben den acht Stellungen alter Bauart (Nr. 11 Flottemanville-Hague, Nr. 12 Nouainville, Nr. 13 Hardin­vast Le Rocher, Nr. 14 Hardinvast La Fournellerie, Nr. 15 La Glacerie de la Flague, Nr. 16 Brix Chateau de Pannelier, Nr. 17 Mesnil au Val Sorellerie, Nr. 18 Mesnil au Val Orion) und den 30 Einsatz-Stellungen neuerer Bauart (Nummerierung 139 – 148 und 223 – 242) waren auf dem Cotentin noch zwei Eingangslager in Valognes - Yvetot-Bocage und Bricquebec in Bau, in denen die mit der Eisenbahn angelieferten Bauteile der V1 zwischengelagert und zusammengesetzt werden sollten, bevor die fertigen V1 Flugkörper mit LKWs zu den Abschussstellungen transportiert wurden.

Die 40 Abschussstellungen auf dem Cotentin sollten mit Soldaten der IV. und VIII. Abteilungen des Flak-Regimentes 155 (W), 5. Flak-Division (W), bemannt werden. Das Namenskürzel W wurde hinzugefügt, um deutlich zu machen, dass dieser als Flak-Regiment bezeichnete Verband auch Aufgaben von Wehrmachtseinheiten wahrnahm.

Die IV. Abteilung, die insgesamt über vier Batterien verfügte, war nur mit zwei Batterien und dementsprechendem Personal auf dem Cotentin vertreten. Die Abteilung war neben allen acht Stellungen alter Bauart auch für 11 Einsatz Stellungen sowie die Stellung Wasserwerk 2 bei Brecourt verantwortlich. Die beiden anderen Batterien der IV. Abteilung befanden sich dagegen im Raum östlich der Seine (Rouen). Mitte Mai 1944 wurde das Personal der IV. Abteilung von der Halbinsel Cotentin abgezogen und weiter nach Osten verlegt. Die Gründe für diesen Abzug sind leider nicht zu recherchieren. Eventuell waren die acht Stellungen alter Bauart, die im Verantwortungsbereich der IV. Abteilung lagen, durch die ständigen Bombenangriffe so stark in Mitleidenschaft gezogen worden, dass ihre Einsatzbereitschaft nicht mehr gegeben und daher das Geschützpersonal überflüssig war.

Auch über die VIII. Abteilung ist leider recht wenig bekannt. Einer Quelle nach handelte es sich um eine erst im Frühjahr 1944 ad-hoc aufgestellte Einheit, die die 20 Stellungen neuer Bauart bemannen sollte, die von den Soldaten der IV. Abteilung nicht besetzt werden konnten. Es ist leider nicht zu ermitteln, wieviele und welche der 40 Stellungen nach dem Abzug der IV. Abteilung bis zum D-Day tatsächlich noch mit Personal der VIII. Abteilung besetzt waren und ob die VIII. Abteilung jemals einsatzfähig war.

Es wird angenommen, dass sich der Gefechtsstand der IV. Abteilung, Flak-Regiment 155 (W), bis Mitte Mai 1944 im Schloss Château de Martinvast befand. Das Château wurde in den Wochen vor dem D-Day durch einen Angriff der USAAF 387th Medium Bomber Squadron zerstört und erst nach dem Krieg wieder aufgebaut. Der Gefechtsstand der 1. Batterie der IV. Abteilung befand sich bei Nouainville „La Granchette“, die Batterie bestand aus 11 Abschussstellungen (darunter 4 Stellungen alter Bauart, d.h. Nr. 11, 12, 13 und 14), die westlich bzw. süd-westlich von Cherbourg lagen. Auch die mit dem Codenamen „Wasserwerk 2“ versehene Abschussstellung alter Bauart Brécourt, die westlich von Cherbourg geschützt in Felsenklippen eingebettet war, zählte zum Verantwortungsbereich der 1. Batterie. Die 2. Batterie, IV./FR 155 (W) war dagegen für acht Stellungen südöstlich von Cherbourg verantwortlich (darunter ebenfalls vier Stellungen alter Bauart, Nr. 15, 16, 17 und 18), ihr Gefechtsstand befand sich wahrscheinlich im Château de l'Ermitage.

Die VIII. Abteilung, Flak-Regiment 155 (W) (Gefechtsstand in Orglandes), umfasste 4 Batterien mit jeweils 5 Abschussstellungen neuer Bauart (Einsatz-Stellungen), die weiter südlich als die Stellungen der IV. Abteilung lagen. Die Gefechtsstände der 4 Batterien befanden sich in St-Saveur-le-Vicomte (1. Batterie), Quettot (2. Batterie), Négreville (3. Batterie) und Tamerville (4. Batterie).

Wie bereits erwähnt wurde bis zum D-Day und auch danach keine einzige V1 von den 40 Abschussbasen auf dem Cotentin in Richtung Südengland abgefeuert. Es ist wohl zu vermuten, dass entweder noch keine Walter Abschusskatapulte bzw. V1 Flugkörper eingetroffen waren, oder die VIII. Abteilung, Flak-Regiment 155 (W), noch nicht einsatzbereit war. Es gibt keine mir bekannte Quelle, die darauf hinweist, dass die US-Amerikaner bei ihrem Vormarsch auf Cherbourg auch nur einen einzigen V1 Flugkörper oder funktionsfähige Abschusskatapulte entdeckt hätten.

Die Landung der Alliierten am 6. Juni kam für das Flak-Regiment 155 (W) mehrere Wochen zu früh. Dennoch wurde am Abend des 6. Juni der Befehl erteilt, Walter Katapulte, V1 Flugkörper, Treibstoffe und andere benötigte Materialien aus den beiden zentralen Depots in Nucourt und St. Leu-d`Esserent an die verschieden Stellungen auszuliefern (vermutlich nur an Stellungen im Pas de Calais). Die Einsatzpläne des Flak-Regimentes 155 (W) sahen in ihrer ursprünglichen Form vor, die Einsatzbereitschaft der Geschütze innerhalb von zehn Tagen herzustellen, unter den gegebenen Umständen wurde dieser Zeitraum auf nur sechs Tage reduziert. Am Abend des 12. Juni wurde völlig überstürzt Operation „Eisbär“, der Angriff auf London, gestartet. Obwohl 63 der 72 Stellungen außerhalb der Normandie einsatzbereit waren, konnten nur neun Flugkörper abgeschossen werden, keiner erreichte jedoch England. Ein grandioser Fehlschlag. Eine zweite Salve wurde kurz darauf in der Nacht zum 13. Juni um 03:30 gestartet. Dieses Mal verließen zehn Flugkörper die Startrampen, vier V1 stürzten unmittelbar nach dem Start zu Boden, zwei landeten im Ärmelkanal und vier erreichten England, einer der Flugkörper schlug um 04:18 im Stadtteil Bethnal Green in Ost-London ein.

Insgesamt wurden in den 80 Tagen, die die Angriffe auf London und den Süden Englands andauerten, circa 9.000 V1 gegen England verschossen, davon schlugen 2.340 Flugkörper in London ein. 5.475 Men­schen fielen den Wunderwaffen in England zum Opfer, rund 16.000 Menschen trugen zum Teil schwerste Verletzungen davon.

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