An der Ostflanke des XIX Corps plante Major General Gerhardt den Angriffsschwerpunkt der 29th ID wieder auf den Martinville Höhenzug zu verlegen. Das aus seiner vorüber- gehenden Ruhestellung zurück an die Front beorderte, teilweise aufgefrischte 116th IR sollte mit einem mit Panzerun­ter­stützung entlang der D 195 vorgetragenen Vorstoß nun endlich Martinville einnehmen und anschlie­ßend in südwestlicher Richtung in die Außen­bezirke von St-Lô vordringen. Das 175th IR dagegen sollte seine Position an der D 972 westlich von la Boulaye beibehalten, das 115th IR sollte von seiner Position im Raum südlich von La Luzerne aus versuchen, in Richtung Nordhang des Martinville Höhenzuges zu einem Punkt westlich von Martinville vorzustoßen und damit die offene rechte Flanke des 116th IR zu decken.

Das bereits viel zitierte Martinville, erstes Ziel des 116th IR an diesem Tag, war im Juli 1944 ein winziger Weiler von gerade einmal 10 Häusern, die beiderseits der D 195 auf Höhe einer scharfen rechts-links Kurve lagen. Beiderseits der D 195, die damals nur ein unbefestigter, von hohen Hecken gesäumter Feld­weg war, befand sich typisches Bocage Gelände, d. h. kleine, rechteckige Felder, die durch hohe Hecken und tiefliegende Verbindungswege charakterisiert sind. Von Martinville aus führten und führen heute noch mehrere tief ins Gelände eingeschnittene Wege in alle Richtungen zu den umliegenden Viehweiden. Am Südhang verlief ein breiterer Weg hinunter in die Senke des Rau de la Pièrie, über den die deutschen Fallschirmjäger Munition und Lebensmittel auf den Martinville Höhenzug an die Hauptkampflinie transportierten.

Das 3rd Bn, 116th IR, eröffnete unter seinem neuen Kommandeur, Major Tom Howie, ehe- maliger S-3 des 116th IR, der erst am 13. Juli die Führung über das Bataillon übernommen hatte, den Angriff auf Martinville um 05:15 und wurde sofort von zielge­nauem deutschen Artillerie- und Mörserfeuer getroffen. Da das 3rd Battalion am Morgen des 15. Juli das einzige US-Bataillon war, das östlich von St-Lô in die Offensive ging, zog es die ganze Auf­merksamkeit der deutschen Artillerie auf sich, bereits nach kurzer Zeit waren Dutzende GIs ver­wun­det oder tot. Auch die das Bataillon begleitenden Panzer des 747th Tank Battalion wurden hart getroffen, allein am Vormittag erzielte die deutsche Artillerie 7 Volltreffer, die die betroffenen Sherman and Stuart Panzer in Flammen setzten und zerstörten.

Als im Laufe des frühen Nachmittags deutlich wurde, dass der Angriff des 3rd Bn, 116th IR, nicht voran kam, starteten das 1st Bn, 116th IR, sowie das 2nd Bn, 175th IR, Ablenkungs- angriffe in ihren jeweiligen Frontabschnitten, die aber außer geringen Gelän­dege­winnen die Situation des 3rd Bn, 116th IR, nicht entscheidend verbessern konnten. Am Spät­nachmittag befahl Major General Gerhardt allen Frontkommandeuren seiner Division, noch einmal alle Kräfte ihrer Einheiten zu mobilisieren und den Durchbruch durch die deutsche Front mit aller Macht zu erzwingen. Die Divisions-Artillerie feuerte zur Unterstützung mehrere Salven auf 11 erkannte deutsche Stellungen, ein Luftangriff von 12 P-47 Thunderbolt hatte mehrere deutsche 8,8 cm Flak Geschütze, die Artille­riebeobachtungsposten auf Höhe 101 sowie den Zielraum des 116th IR, la Madeleine, zum Ziel.

Während dieses vorbereitenden Bombardements gruppierte sich das 116th IR neu und griff um 19:30 mit dem 1st Battalion links der D 195 bzw. dem 2nd Battalion rechts der D 195 erneut an. Diesmal gab die deutsche Front nach, beide Bataillone durchbrachen die Verteidigungslinie und erzielten in kurzer Zeit mehrere Hundert Meter Geländegewinn. Gerade als der Durchbruch an Fahrt aufnahm erreichte die beiden Bataillonskommandeure, Major Dallas (1st Bn) und Major Bingham (2nd Bn) der Befehl von Major General Gerhardt, den Vorstoß abzubrechen und sich einzugraben. Gerhardt war über den Durchbruch und die erzielten Gelän­degewinne noch nicht im Bilde und wollte seine beiden führenden Bataillone während der Nacht in einer sicheren Rundum­ver­tei­digungsstellung wissen.

Das 1st Bn stellte daraufhin den Angriff ein und grub sich befehlsgemäß ein. Major Bingham, Kommandeur des 2nd Bn, dagegen war gerade im Begriff, die Position der Nachhut seines Bataillons festzustellen, als ihn der Haltebefehl erreichte. Bingham musste nun rasch Kontakt mit den führenden Elementen seines Bataillons aufnehmen, um auch sie zu stoppen. Da keine Funk­ver­bin­dung bestand, blieb Bingham nichts ande­res übrig, als seiner Vorhut hinterher zu eilen. Diese war nach dem Frontdurchbruch bei Martinville jedoch bereits mehrere Hundert Meter den Südhang des Martinville Höhen­zuges hinunter in die Talsenke des Rau de la Pièrie vorgedrungen und hatte die D 972 nur 500 m östlich von la Madeleine erreicht. Als Bingham endlich zu seiner Vorausabteilung aufgeschlossen hatte, erkann­te er, dass die rund 200 Mann starke Vorhut (E und F Companies sowie der MG- und Mörserzug der H Company) das lange vor Augen gehaltene Ziel, St-Lô, beinahe erreicht hatte. Das Bataillon stand jetzt nur noch 1,5 Km östlich der Außenbezirke der Stadt. Bingham befahl daher seinen Männern, eine Rundumverteidigung zu errichten und informierte über Funk den Regimentsstab des 116th IR über die Position und Situation seines Bataillons.

Seine Ent­scheidung, nicht hinter die amerikanischen Linien zurückzukehren, sondern sich vor Ort einzu­graben und die weitere Entwicklung abzuwarten, wurde vom Regiments- kommandeur des 116th IR, Colonel Dwyer, sowie von Major General Gerhardt bestätigt. In der Zwischenzeit hatten die Fall­schirmjäger des Fallschirm-Pionier-Bataillons 3 die kurz zuvor geschlagene Frontlücke bei Martinville wieder geschlossen, das 2nd Bn,116th IR, war zwar am Ende des 15. Juli bis auf 1,5 Km an St-Lô heran­gerückt, es war nun aber auch hinter den deutschen Linien eingeschlossen. 

                                                                    - 38-

zurück                                                                                                                weiter